Nicht gerade selten kommt von der Beklagtenseite der zumeist unbegründete Anwurf, der Kläger sei nicht prozeßfähig. In aller Regel reagiert das Gericht darauf nicht. Brandgefährlich wird es erst, wenn das Gericht selbst Zweifel erhebt. Nun gilt es, alle Möglichkeiten des Verfahrensrechtes auszuschöpfen, um den drohenden "bürgerlichen Tod" in Gestalt der prozessualen Entmündigung abzuwenden. Psychologisches Geschick kann dabei entscheidend sein. Es gibt gerichtsseitig häufig verdeckte Konstellationen, etwa informelle freundschaftliche Kontakte des Gerichts mit der beklagten Partei oder mit deren Prozeßbevollmächtigten sowie mit bestimmten "Haussachverständigen" - wie wohl im Göttinger Fall1 der Lisa Hase, in dem eine Patientin u. a. einen Zahnarzt verklagt hatte, den das Gericht als Gutachter beschäftigte. Gefährlich wird es also, wenn das Gericht entweder auf Anregung der Gegenseite oder gar von sich aus, d. h. ohne Anregung einer Partei, Zweifel an der Prozeßfähigkeit erhebt. Und noch gefährlicher ist es, wenn diese Zweifel in einer mündlichen Verhandlung - im Falle des Verf. sogar erst am Ende derselben - geäußert werden. Die richterliche Strategie zielt womöglich auf Überrumpelung. Eh sich der Betroffene versieht, wurde ihm bereits rechtliches Gehör in dieser Frage (heißt: der Frage der Prozeßfähigkeit) gewährt. Tritt dieser Fall ein, gilt es: - Ruhe zu bewahren und emotionale Reaktionen möglichst zu vermeiden, sowie: - Zeit zu gewinnen, sich keinesfalls spontan einzulassenn stattdessen Antrag auf Unterbrechung der Verhandlung zu stellen. Die unmittelbar richtige Reaktion bei Ausschöpfung aller verfahrensrechtlichen Möglichkeiten wird den weiteren Verlauf bestimmen! (Im Umkehrschluß heißt dies: ist Ihr Anwalt ein schlechter Prozessualist, oder fürchtet er gar, sich beim Richter unbeliebt zu machen, ist die Sache bereits vielfach verloren!) Denn: Spätestens wenn ein Richter von sich aus "Bedenken" (Zweifel) an Ihrer Prozessfähigkeit erhebt, ist es mit der gelegentlich beschworenen "Arbeitsgemeinschaft" aus. Spätestens dann beginnt der Richter, nun als Amtswalter ("von Amts wegen"), sich zum "Herrn des Verfahrens" (ähnlich dem Staatsanwalt im Strafverfahren) aufzuspielen, dann hebt die Corporate Language an, und es ist unbedingt zu besorgen, daß der Richter innerlich seine Funktion als "unbeteiligter Dritter" aufgibt, geht es nun doch um das Rechtsverhältnis Rechtsstaat - Rechtsunterworfener, ganz so wie im Strafverfahren führt hier der Staat das Verfahren gegen den Bürger! Einzigen Schutz böte jetzt noch die Verfahrensordnung, hier die ZPO, die in dieser Frage allerdings weitgehend schweigt. Da hilft auch ein Blick in die Kommentare kaum weiter, denn es herrscht Richterrecht. Ein Beispiel erfolgloser Aggressivität in einem Strafprozeß schildert Gisela Friedrichsen. Was dort gilt, gilt erst recht in einem Zivilprozeß. Wie nun reagieren? Die Rechtsprechung hat folgendes Prozedere entwickelt: a) Zunächst muß - zwingend (!) - ein Hinweis auf die "Zweifel" des Gerichts gem. § 139 III ZPO erfolgt sein. b) Danach erst ist "darüber" - zwingend - mit der betroffenen Partei zu verhandeln, d. h. es reicht nicht, diese nur "anzuhören", dies auch dann, wenn in den meisten Urteilen nur von "Anhörung" die Rede ist. In der Praxis jedoch wird sich wohl kaum ein Richter freiwillig zu einer Verhandlung, die diesen Namen verdient, bereitfinden. Was aber dann? Tip 1: Am wichtigste ist es, sich nicht überrumpeln zu lassen und genügend Vorbereitungszeit auf die Verhandlung zu gewinnen. Daher zwecks Vorbereitung um Verhandlungsunterbrechung und Neuterminierung bitten. Lehnt das Gericht dies ab, ggf. Richterablehnung. Unbedingt also sollte ein Betroffener also auf Gewährung genügender Zeit zur Stellungnahme und Widerlegung der ihm zuvor gemäß § 139 Abs. 3 ZPO vom Gericht "so früh wie möglich" (§ 139 Abs. 4 Satz 1) mitgeteilten "Bedenken" bestehen. Der vorausgehende Hinweis ist als zwingend von der Rechtsprechung anerkannt. Gemäß § 139 Abs. 4 ZPO sind diese Bedenken auch aktenkundig zu machen, einschließlich der Gründe (Indiztatsachen und daraus gezogenen Schlüsse). Es handelt sich um einen "Befehl" (Ekkehard Schumann: Die absolute Pflicht zum richterlichen Hinweis (§ 139 Abs. 2 ZPO), in: FS Dieter Leipold, 2009, 177), der das Recht zur Stellungnahme in den Mittelpunkt rückt. Der von Amts wegen zu erteilende Hinweis ist, wenn möglich, v o r der ersten mündlichen Verhandlung zu erteilen, wenn es auch Gründe geben kann, dies ausnahmsweise zu unterlassen. Zweck der Hinweispflicht ist, Gelegenheit zur Äußerung - rechtliches Gehör - zu geben. "Hinweis" erscheint (Schumann, aaO., 188) als normativer zivilprozessualer Begriff, als Ausprägung des Überraschungsverbots. Die Grundrechtsrelevanz, siehe Art. 103 Abs. 1 GG, der richterlichen Hinweispflicht unterliegt keinem Zweifel (Schumann, aaO.,195). Ist einer Partei eine sofortige Erklärung im Termin nicht möglich (dies ist bei überraschenden "Zweifeln" am Geisteszustand wohl regelmäßig der Fall!), so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen (§ 139 Abs. 5 ZPO). Da vorliegend eine "persönliche Anhörung" vorgeschrieben ist, müßte hierzu wohl neu terminiert werden, eine Nachbringungsfrist dürfte nicht hinreichen, v a. der völlig überraschten Partei nicht zumutbar sein! Das Gericht muß dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung geben sich "unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt" sachgerecht zu äußern. Tut es dies nicht, liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs.1 GG vor (Schumann, aaO., 196). Unter Umständen kann eine Verletzung des § 139 ZPO auch einen Verstoß gegen das Willkürverbot darstellen (Schumann, aaO., 198). Der BGH äußerte sich im Urteil vom 6.12.2013 - V ZR 8/13 - wie folgt: "Das Prozessgericht darf die Prozessunfähigkeit einer Partei, für die ein gesetzlicher Vertreter nicht bestellt ist, grundsätzlich nur feststellen, wenn es die Partei zuvor persönlich angehört hat (BGH, Urteil vom 4. November 1999 - III ZR 306/98, BGHZ 143, 122, 125; BVerfG, BVerfGK 6, 380, 383). Das schließt zwar eine Entscheidung ohne Anhörung nicht stets aus. Das Prozessgericht darf eine Klage wegen fehlender Prozessfähigkeit des Klägers ohne dessen Anhörung aber nur dann als unzulässig abweisen, wenn es ihn zum Termin geladen und mit der Ladung analog § 34 Abs. 3 Satz 2 FamFG auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen hat. [20] Die Erforderlichkeit eines solchen Hinweises folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG. Dieses Verfahrensgrundrecht soll sicherstellen, dass die Parteien ihr Verhalten im Prozess eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können. [21] Der Einzelne soll nicht nur Objekt richterlicher Entscheidung sein, sondern vor der Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen. Art. 103 Abs. 1 GG enthält insofern weitere Garantien als die, sich irgendwie zur Sache einlassen zu können (BVerfG,BVerfGK 6, 380, 383; BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 - I ZB 93/08, NJW-RR 2009, 1223 Rn. 6). [22] Welche Anforderungen sich daraus ergeben, dass jede Partei vor einer Entscheidung des Gerichts über ihre Prozessfähigkeit persönlich zu Wort kommen und vor einer Überraschungsentscheidung geschützt sein muss, ist allerdings in der Zivilprozessordnung nicht im Einzelnen geregelt. Die verfassungsrechtlich gebotene Mitwirkung der Partei im Verfahren vor der richterlichen Entscheidung über ihre Prozessfähigkeit erfordert es, insoweit die Vorschriften über das Gebot zur Anhörung der Partei im Betreuungsverfahren (§ 278 Abs. 1 Satz 1, § 34 FamFG) analog anzuwenden (so auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 56 Rn. 8). Die betroffenen Partei sollte hiernach unbedingt auf die Bestimmung eines gesonderten Anhörungstermins bestehen um ihr Verhalten "eigenbestimmt und situationsspezifisch" (Zitat: BGH, s.o.) gestalten zu können - im Klartext kann dies nur heißen: Die betroffene Partei hat ein Recht auf Vorbereitung. Lehnt das Gericht diesen Antrag ab, könnte ein Befangenheitsantrag gem. § 42 ZPO Erfolg versprechen.2 Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die Bedenken (Zweifel an der Prozeßfähigkeit) wie im Falle des Verf. völlig überraschend erst am Ende der ersten mündlichen Verhandlung geäußert werden. Bei einer derartigen Überrumpelung (wie sie der Verf. erlebte) sich keinesfalls auf eine Verhandlung "darüber" einlassen, sondern in diesem Falle erst recht in Ruhe die hier entwickelten Tips eruieren. Tip 2: Persönlich Akteneinsicht bei Gericht nehmen, siehe dazu die Ausführungen unter "Der Beweisbeschluß", dort Anm. 2 Tip 3: Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung stellen, dies um Zeit zur Vorbereitung auf die "Anhörung" zu gewinnen! Hat man sich so verhalten, kann sich das Gericht später kaum darauf berufen, die Partei sei ja bereits zur Sache (= Frage der Prozeßfähigkeit) "angehört" worden. Nur dann also kann man eine erfolgreiche Anhörungsrüge wegen Gehörsverletzung anbringen! Tip 4: In der Anhörung das Gericht explizit auffordern, seine Zweifel zu begründen durch Benennung der relevanten, in der Rechtsprechung anerkannten Tatsachen - Oda (ZZP, 1957, 113) spricht von "objektiv begründeten Verdachtsmomenten" - sowie die daraus gezogenen Schlüsse am besten verschriftlich mitzuteilen. Diese Aufforderung muß aktenkundig werden, also entweder als schriftlichen Antrag zu den Akten oder doch zu Protokoll geben. Falls das Gericht dies ablehnt und auf die - zwingend vorgeschriebene - persönliche Anhörung verweist, muß ggf. sogar auf ein Wortprotokoll3 oder doch zumindest auf Aufnahme der essentiellen Anträge und Gründe in das Protokoll gemäß § 160 ZPO bestanden werden, dies als Grundlage für eventuell einzulegende Rechtsmittel. Insbesondere kommt eine wörtliche Protokollierung dann in Betracht, wenn eine bestimmte Äußerung des Gerichts als Ablehnungsgrund dienen soll. In der Regel diktiert der Vorsitzende Richter den gesamten Inhalt des Protokolls. Auf die durch dessen eigenen Formulierungen dabei regelmäßig bewirkte Filterung, Färbung bis hin zur inhaltlichen Verfälschung sollte sorgfältig geachtet und ggf. reagiert werden. Nachdem es im Zivilverfahren grundsätzlich Aufgabe der Parteien ist, die Beweismittel beizubringen sollte es nicht zulässig sein, wenn ein Richter der mit Zweifeln überzogenen Partei ausgerechnet dann das Wort abschneidet, wenn es um den Nachweis oder die Widerlegung von Fakten geht, die Rückschlüsse auf ihren Geisteszustand erlauben. Hier ist an die sog. Indikation (Begründung für eine Behandlung) als "Kernstück der ärztlichen Identität" zu erinnern. Die Indikation für eine ärztliche Behandlung ist an objektive Parameter gebunden. Für einen Richter kann nichts anderes gelten: Er hat sich nach dem aktuellen Stand der medizinischen und juristischen Wissenschaft, d. h. an Rechtsprechung und Literatur zu orientieren, um seine Zweifel hinreichend zu begründen. Tut er dies nicht, liegt ein willkürlicher Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Partei vor. Der Anhörungstermin entscheidet in aller Regel über den weiteren Verlauf, wer nicht rechtzeitig die Reißleine zieht - dies kann auch heißen: den Richter stante pede wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen - hat dann oftmals das Nachsehen. Im Falle der Lisa Hase wurden diese Ratschläge wohl nicht befolgt, so daß das Schicksal seinen Lauf nahm! Es gilt: Das Protokoll ist oftmals entscheidend für den Mißerfolg nachträglicher Korrekturversuche mittels ordentlicher oder außerordentlicher Rechtsmittel. Tip 5: Gemäß § 137 IV ZPO kann die Partei auch im Anwaltsprozeß auf Antrag persönlich zu Wort kommen. Sich also nicht blauäugig auf "seinen" Anwalt verlassen und sich damit zum bloßen Objekt des Verfahrens machen lassen, sondern selbst mitdenken! Ein Durchschnittsanwalt dürfte in dieser seltenen, aber höchst delikaten prozessrechtlichen Fragestellung regelmäßig überfordert sein. Tip 6: Auf die persönliche Anhörung sollte jeder Betroffene gründlich vorbereitet sein bzw. werden, insbesondere hinsichtlich der in der Rechtsprechung anerkannten Indizien für Prozeßunfähigkeit. Als "Indizien" sind solche Tatsachen anzusehen, die zwar selbst nicht zum beurteilenden Sachverhalt gehören, jedoch Schlußfolgerungen (im Sinne von Bewertungen) darauf gestatten. Aufgrund des Rechts des Richters, Informationen im Freibeweisverfahren einzuholen - also z. B. Auskünfte über etwaige Vorgutachten bei Gesundheitsämtern - besteht die Gefahr, daß der Gutachter auf dieses Vorgutachten Bezug nimmt, d. h., es verwertet. In diesem Falle hat der Betroffene das Recht auf unmittelbare Befragung dieses Vorgutachters in der Anhörung, von dem unbedingt Gebrauch gemacht werden sollte - siehe dazu das Revisionsurteil des BGH vom 10.7.1997. Jede Beweiswürdigung von Gerichtsgutachten im Zivilprozess muß einen Mindestsachverstand des Richters voraussetzen, denn zur Beurteilung eines psychiatrischen Gutachten sind Grundkenntnisse der Psychiatrie, insbesondere der diagnostischen "Erfahrungssätze" unabdingbar. Entsprechend gilt: Bevor ein Richter auf Zweifel hinweist, hat er sich mit der spezifischen Rechtsprechung vertraut gemacht zu haben. Um es zu wiederholen: Der Betroffene kann hierüber nur Klarheit gewinnen, wenn er auf Begründung dringt, erfolgt diese immer noch nicht: Befangenheitsablehnung oder, oftmals zielführender, Gehörsrüge. Besteht die Begründung aus bloßen Leerformeln oder nichtvertretbaren Wertungen, handelt es sich um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Erwartet werden kann, daß das Gericht die Indiztatsachen (diejenigen Tatsachen, die den Zweifeln des Gerichts zugrunde lagen) und ggf. die zugrunde gelegten Erfahrungssätze angibt. Auch dürfte das Gericht verpflichtet sein, die betroffene Partei auf die Folgen einer Weigerung, sich untersuchen und begutachten zu lassen, eindeutig hinzuweisen (vgl. Hagen, FS f. Gerd Pfeiffer, 1988, 938). Inwieweit § 321 a ZPO bei schweren Prozeßgrundrechteverletzungen Anwendung finden kann, ist allerdings streitig. Die Hoffnung, ein Gericht umzustimmen, ist als eher gering anzusetzen. Ein gewiefter Prozessualist könnte - als ultima ratio - versuchen, einen tragfähigen Ablehnungsgrund zu "produzieren". Jedem Betroffenen muß bewußt sein, daß - ganz ähnlich wie im Strafverfahren - gegen einem mißgesinnten Richter n u r über das Verfahrensrecht (!) Material entstehen kann, das ggf. Grundlage einer Richterablehnung oder (Verfassungs)beschwerde sein kann. Wie gesagt: Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet einen zwingenden Anspruch des mit "Zweifeln" Überzogenen auf Darlegung der belastenden Tatsachen, bevor das Gericht den Beweisbeschluß erläßt. Zu einigen speziellen Fragen: I. Das Recht auf Rechtfertigung = Begründung? Der BGH hat für die Darlegungspflicht von Tatsachen, "aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Behauptung der Prozeßunfähigkeit richtig sein könnte", den Grund genannt, nämlich den, daß davon auszugehen ist, daß "nach der Lebenserfahrung Störungen der Geistestätigkeit Ausnahmeerscheinungen sind" (BGHZ 18, 184, 188; danach vielmals zitiert, so BGH 4.2.1969, NJW 1969, 1574). II. Fragerecht der Partei an das Gericht? Im Strafverfahren ist das Fragerecht des Beschuldigten an die (Belastungs)zeugen als Recht zur aktiven Verteidigung in § 240 Abs. 2 StPO verankert und gilt als Gebot der Fairness und liegt im Interesse der Wahrheitsfindung (Gollwitzer, Das Fragerecht des Angeklagten. In: GS f. K.-H. Meyer, 1990, 147-170). Das rechtliche Gehör ist hier ein aktives Recht. Wann sollte dies mehr gelten, als wenn ein Gericht einen "Rechtsgenossen" (BVerfGE 7, 279) in einer Verhandlung vor dem Zivilgericht überraschend mit Zweifeln an dessen Geisteszustand überzieht? Gemäß § 136 ZPO leitet der Vorsitzende Richter die Verhandlung. Diese Regelung kennzeichnet die "extreme interaktionelle Asymmetrie" (Ploeger, Forum Wissenschaft 3/03, 24) in der Verhandlung. Fragen dürfen in einem Gerichtsverfahren nur gestellt werden, wenn der Richter sie zuläßt. Bereits 1884 betont Birkmeyer die Gemeinsamkeiten von Offizialverfahren im Zivilprozeß und Strafverfahren: in beiden gehe es um die Realisierung öffentlicher Interessen und in beiden ginge es um die materielle4 (i.G.z. formellen) Wahrheit (Zs. f. deutschen Civilprozess, Band VII, 182). In der Tat dürfte die Vorstellung eines Verhandelns der richterlichen, im Freibeweis gewonnenen Ermittlungsresultate eher trügen, denn es mangelt sowohl der schützenden Formen des Straf- als auch der eines kontradiktorischen Zivilverfahrens. Nach Brüggemann gibt es (im Zivilprozeß) "ein Recht der Parteien zu Fragen an den Richter" (Brüggemann, Judex statutor und judex investigator, 1968, 335). Da nun der Richter bei persönlichen "Zweifeln" an der Prozeßfähigkeit einer Partei zugleich Zeuge ist, könnte hier das Fragerecht der Parteien an die Zeugen gem. § 397 ZPO greifen, so daß der Richter in der Eigenschaft als Zeuge nach den Tatsachen befragt werden kann (und auch sollte!), denn in dieser besonderen Konstellation verläßt der Richter - jedenfalls partiell - seine Stellung als unbeteiligter Dritter. Gefragt werden (können) sollte daher danach, worauf der Richter denn im konkreten Detail seine Zweifel stützte und auf welcher wissenschaftlichen Grundlage die entsprechenden Indizien beruhten. Antwortet der Richter nicht, weil er die Frage nicht zuläßt, gäbe dies jedenfalls Grund, Befangenheit zu besorgen, wenn das Gericht (der Richter) die Frage nicht zuläßt oder sie ausweichend beantwortet. Nach persönlicher Erfahrung versagen genau an diesem Punkt die eigenen Anwälte. Ein Richter, der sich weigert, seine Anhaltspunkte für Zweifel an der Prozeßfähigkeit ausführlich und tragfähig zu benennen (unbedingt schriftlich detailgenau protokollieren!) und sich dabei (auf Nachfrage!) einer Angabe anerkannter Rechtsquellen (u.a. höchstrichterlicher Urteile) verweigert, gibt unbedingt Anlaß, ihn wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen: Denn der (nicht kodifizierte!) Freibeweis stellt gerade in der Frage der Persönlichkeitsbeurteilung ein offenes Tor für Mißbrauch dar. Auf kritische Fachliteratur (E. Peters, Rimmelspacher, Oda, Stickelbrock) sollte dabei verwiesen werden. III. Recht auf ein Rechtsgespräch mit dem Gericht? Adolf Arndt (Die Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs, NJW 1959, 1297ff) sieht das rechtliche Gehör als Verfassungsbegriff aus Art. 103 GG als unmittelbar im GG wurzelndes (Menschen-)Recht, welches den Beteiligten nicht nur Einfluß auf die Wahrheitsermittlung, sondern ebenso auf die Rechtsfindung einräumt. Das rechtliche Gehör erstreckt sich aber auch auf Rechtsfragen - hierzu ein schönes Zitat des Bundesverfassungsgerichts: "Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor Gericht dient nicht nur der Abklärung der tatsächlichen Grundlage der Entscheidung, sondern auch der Achtung der Würde des Menschen, der ... die Möglichkeit haben muß, sich mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten." (BVerfGE 55, 5f , Beschluß vom 9.Juli 1980) Die Partei kann sich um ein sog. Rechtsgespräch (Arndt, NJW 1959, 8) bemühen, also auf Ausführungen zu Rechtsfragen bzw. zur rechtlichen Beurteilungen nachsuchen, ein Recht darauf hat sie aber wohl nicht. Nach der bereits kritisch besprochenen BGH-Entscheidung vom 6.12.2013, dort Rn.16, soll der Betroffene lediglich "zu Wort kommen". Wie das zu verstehen ist, entscheidet der Richter, denn in der ZPO ermangelt es einer klaren Regelung. Ortloff (NVerwZ 1995, 29) möchte den Begriff "Erörterung" (§ 139 I 2 ZPO) als Anspruch auf "Gelegenheit zur Stellungnahme" verstehen. Da nun jedoch die maßgeblichen "Zweifel" im Richter als Person entstehen und dieser somit eine zeugenähnliche Position gewinnt, müßten gem. Art 6 Abs. 3, d MRK Verständnisfragen an den Richter zulässig sein, verbunden mit dem Recht auf Antwort. Im Falle der Lisa Hase erfolgte am 12.11.2009 eine .- protokollierte - 'Anhörung', in der der Richter zunächst Fragen an Hase stellte und erst am Ende des Anhörungstermins "einige der Gründe für die Zweifel" nannte. "Als Hase sich dazu äußern möchte, teilt er ihr mit, sie dürfe vor Gericht nichts sagen, Hase dürfe allenfalls Fragen stellen und auch dies nur, wenn er dies erlaube." Es folgte der Beweisbeschluß vom 17.12.2009. Damit wurde (wohl) ein Rechtsgespräch, hier über ein Vorliegen oder Nichtvorliegen anerkannt-nachvollziehbarer Indizien verweigert (näheres könnte das bislang unveröffentlichte Protokoll der Anhörung ergeben). Das LG Göttingen lehnte den Antrag auf Protokollberichtigung jedenfalls ab. Alle weiteren Rechtsmittel Befangeheitsgesuche) blieben erfolglos. V. Einfluß auf die Wahl des Gutachters? Besteht das Gericht auf eine Begutachtung, sollte der Betroffene versuchen, Einfluß auf die Wahl der Person des Sachverständigen zu nehmen. Ein fairer (und sensibler) Richter würde dann versuchen, sich mit dem Betroffenen über die Person des Sachverständigen zu verständigen. "Die Auswahl des Gutachters ist das heißeste Problem" (Kury, Praxis der Rechtspsychologie, 1999, 89), deshalb zumindest um Darlegungen des Gerichtes zur Qualifikation des Sachverständigen nachsuchen, also etwa fragen: Welche Erfahrungen mit diesem Gutachter liegen vor? Wo und wie viele Gutachten hat dieser Sachverständige in Sachen Prozeßfähigkeit bereits erstattet? Diese Fragen müßten zugelassen werden, denn zumindest im Strafverfahren umfaßt das Fragerecht auch Fragen zur Person des Sachverständigen Zeugen. Angriff ist nun die beste Verteidigung. Aufgrund der Beweisführungslast im Zivilverfahren nicht unzulässig und sogar aus strategischem Grunde anzuraten ist, daß die betroffene Partei ein Privatgutachten über ihren Geisteszustand beibringt. Wirkung wird dieses allerdings eher Wirkung zeitigen, wenn es von einem hochkarätigeren Sachverständigen stammt (und dies ist u. a. eine Geldsache). Handelt der Betroffene nicht und verweigert lediglich die Begutachtung durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen, so kommt es, infolge der dann fälligen Beweislastübernahme, zum "non liquet" und damit zur Prozeßunfähigkeit. Daher ist ratsam, daß der potentielle Proband selbst Beweis für seine Prozeßfähigkeit in Form eines psychiatrischen Fachgutachtens anbietet. Denn grundsätzlich besteht eine Mitwirkungspflicht zur Beibringung von Tatsachen (Prozeßförderungspflicht), auch wenn niemand gezwungen werden kann, sich einer psychiatrischen Exploration zu unterziehen, die das Gericht "von Amts wegen" angeordnet hat. Das Gericht kann (muß allerdings nicht) durchaus einer Prozeßpartei aufgeben, den Nachweis ihrer Prozeßfähigkeit zu führen, der dann den oft entscheidenden Vorteil der Wahl des Sachverständigen genießt. V. Abwehrstrategien und Rechtsmittel? 1. Vorschlag: Aktengutachten, hilfsweise Beobachtung. Stellt sich ein mit richterseitigen Zweifeln überzogener Kläger nicht dem vom Gericht bestimmten Gutachter, wird sie nach geltender Rechtsprechung beweisfällig, denn wenn auch zunächst das Gericht "von Amts wegen" hinsichtlich der Zweifel an den Prozeßvoraussetzungen Beweis erheben kann, kommt eine Beweislastentscheidung zu Lasten des Klägers (erst) dann in Betracht, wenn sich die Frage der Prozeßfähigkeit nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen nicht klären läßt. Nach dem das Gericht bindenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, kommt als milderes Mittel zur Vermeidung eines massiven Eingriffs in Grundrechte zunächst ein Aktengutachten infrage, jedenfalls dann, wenn das Gericht noch am Geisteszustande einer Partei lediglich "zweifelt", d. h., sich nicht sicher ist. Da die Prozeßfähigkeit ein Unterfall der Geschäftsfähigkeit ist, gilt erst recht die Möglichkeit eines Aktengutachtes i.V.m. einer Befragung des von Zweifeln Betroffenen in Gegenwart eines Sachverständigen (OLG Hamm 14.9.1988, FamRZ 1989, 543). Macht die betroffene Partei diesen Vorschlag und lehnt ihn das Gericht ohne nachvollziehbare Begründung ab, so läge u. U. ein Ablehnungsgrund vor, denn der Staat hat bei Eingriffen in Grundrechte das mildeste Mittel zu wählen. Verweigert der betroffene Kläger allerdings auch dann eine Exploration, wenn das Aktengutachten bzw. eine bloße Beobachtung des Probanden im Termin durch einen psychiatrischen Sachverständigen dem Gericht nicht ausreicht, so geht dies dann zu Lasten des mit Zweifeln überzogenen Klägers, im Klartext: nach BGH-Rechtsprechung wird der Betroffene als prozeßunfähig erklärt. 2. Findet sich der Betroffene zu einer Begutachtung bereit, so stellt sich die Frage der Dokumentation, will man sich nicht völlig dem Sachverständigen ausliefern. Wenn bereits eine körperliche Untersuchung durch einen ärztlichen Sachverständigen "generell ein starker Eingriff in die persönlichkeitsgebundene Intimsphäre" ist (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 23.2.2006 - L 4 B 33/06), so gilt dies erst recht für eine psychiatrische Untersuchung (zur Einordnung dieser und einer weiteren Entscheidung des LSGs siehe J. Francke.) Der Sachverständige hatte die erbetene Begleitung durch eine Vertrauensperson ohne vernünftige Begründung abgelehnt - das Ablehnungsgesuch war erfolgreich! Bestätigt wird dieser Anspruch auf effektiven Rechtsschutz "gegenüber abstrakt immer denkbaren Wahrnehmungsfehlern des Sachverständigen" durch eine neuerliche Entscheidung des OLG Hamm vom 3.2.2015 - 14 UF 135/14, wobei dies lediglich eine Psychologin in einem Umgangsstreit betraf ... Dies führt zu TIP 7: Den Zweck der Dokumentation können erfüllen: - Videografie, - Tonaufzeichnung oder - Beiziehung eines Zeugen, etwa des Verfahrensbevollmächtigten/Beistandes oder einer sonstigen Vertrauensperson. Das OLG Zweibrücken (B.v. 2.3.2000 - 3 W 35/00, FamRZ 2000, 1441f (Auszug); R&P 2000, 200) hält das letztere - jedenfalls im Betreuungsverfahren - für zulässig, nachdem der Betroffene selbst das Beweismittel sei. Bild- oder Tonaufzeichnung wurde bislang zwar aus datenschutzrechtlichem Grunde (Schutz des SV !) abgelehnt, es scheint sich hier jedoch ein gewisser Wandel in der Einstellung anzubahnen: - Andreas Mosbacher5 plädiert - zur Vermeidung (!) von Fehlurteilen - für häufigere Videoaufzeichungen von polizeilichen Vernehmungen, die bereits zulässig sind gem. § 163 Abs.3 Satz1 i.V.m. § 58a Abs.1 StPO. - sogar der Vorsitzende Richter am BGH Thomas Fischer sprach sich für die (noch nicht zugelassene) Videoaufzeichnung der mündlichen Verhandlung in der Tatsachenistanz aus! Empfehlenswert ist also, die eine oder andere Dokumentationssicherung des Explorationsgeschehens beim Sachverständigen zu beantragen, und, im Falle daß dieser ablehnt, Beschwerde zu erheben, zuvor jedoch den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Wie sehr sich psychiatrische Gutachter generell gegen die Anwesenheit dritter Personen sträuben, findet man - bei miserabler Argumentation - in einschlägigen Handbüchern (Beispiel: Schneider/Frister/Olzen, Begutachtung psychischer Störungen, 3. Aufl. 2014, S. 5) 4. Außerordentliche Beschwerde. Zur Begründung: Für einen Betroffenen verbleibt nur ein einziger Ansatzpunkt: Der Richter hat neben der Kasuistik (fallspezifische Rechtsprechung) objektive Vorgaben und Maßstäbe, also Denkgesetze (Widerspruchsfreiheit, keine Zirkelschlüsse) und Erfahrungssätze (= Regeln sog. allgemeiner Lebenserfahrung, aber auch der besonderer Sachkunde) zu beachten, die der Begründung zu entnehmen sein sollten. Geschieht dies nicht, muß auf Beseitigung dieses Mangels gedrungen werden und notfalls außerordentliche Beschwerde wegen 'greifbarer Gesetzwidrigkeit' und, 'hilfsweise', Anhörungsrüge (=Gehörsrüge) erhoben werden (§ 321a ZPO) - s.u. unter Nr. 6. 5. Nicht hinreichend substantiierte Zweifel an der Prozeßfähigkeit einer Partei führen zu einer ganz erheblichen Verfahrensverzögerung. Seit 1.1.2012 ist eine völlig neues Mittel aufgrund des neuen § 198 GVG: Die sog. "Verzögerungsrüge" eröffnet. Immer dann, wenn keine hinreichende Begründung des Beweisbeschlusses erfolgte, sollte dieser "Gegenangriff" erwogen werden, schließlich ist er nicht weniger absurd, als ein unqualifizierter Angriff auf den Kern der Persönlichkeit der betroffenen Partei! 6. Eine Anhörungsrüge käme dann infrage, wenn das Gericht die Partei mit einer Rechtsansicht überrascht, "mit der auch eine kundige und gewissenhafte Partei nicht zu rechnen brauchte" (Foerster, JZ 2007, 132). Gem. § 321a ZPO ist die Anhörungsrüge jedoch i.d.R. nur gegen Endentscheidungen zulässig. Lipp (NJW 2002,1702f) hält allerdings die Anhörungsrüge auch gegenüber allen bindenden und unananfechtbaren erstinstanzlichen (Neben-)Entscheidungen für zulässig, dies bei Verletzung aller Verfahrensgrundrechte. Die Anwendung ist daher kompliziert. Bei einer Gehörsrüge (=Anhörungsrüge) ist jedoch auch daran zu denken, daß eine Verf.beschwerde (die wohl den Vorzug verdient) verfristen könnte. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs zum Gegenstand hatte. Daher u. U. beides gleichzeitig tun, die letztere Option verbunden mit dem Hinweis, die Verf.beschwerde erst einmal im Register des BVerfGs zu belassen. 7. Grundlagen für eine Befangenheitsablehnung (einschlägig: E. Schneider) des Richters: Die Prüfung von Amts liegt zwischen Verhandlungs-6 und Amtsermittlungsgrundsatz, so daß die Beweisführungslast der Parteien nicht völlig beseitigt wird (Oda, ZZP 1097, 114). Die Prozeßförderung ist jedoch auch Aufgabe des Richters. Lube (MDR 2009, 64 - file:///C:/Users/das/Downloads/Luhe%20zu%20Querulanten.PDF) beschreibt die Rechtslage so: Allerdings kann sich die Prüfungspflicht auf eine Ermittlungspflicht erweitern..." Im Gesetz steht davon allerdings nichts. Sicher ist nur: eröffnet die Justiz den Zulassungsstreit ohne Parteianregung, agiert sie quasi als Partei; umso mehr wird ein Betroffener um den Verlust seiner prozessualen Geschäftsfähigkeit bangen müssen! Vor allem durch aktives Mitgestalten des Zulassungsverfahrens könnte es gelingen, ggf. tragfähige Ablehnungsgründe zu "produzieren". 8. Was die Prozeßbevollmächtigten betrifft, so sind wohl viele mit der hier behandelten Materie kaum vertraut, abgesehen davon, daß nur wenige Rechtsanwälte bereit (und fähig!) sind, sich, falls erforderlich, auch gegen den Richter zum Wohle ihres Mandanten hinreichend aggressiv - d. h. unter geschickter Ausschöpfung des Verfahrensrechts7 - einzusetzen. Egon Schneider spricht denn auch vom "alltäglichen Kampf ums Verfahrenrecht" praktizierender Anwälte (Schneider, der Niedergang des Rechtsstaates. In: FS f. Christian Richter II, 2006, S. 465) 9. Als letzte Rettung des klägerischen Anliegens im Falle des non-liquet in der Frage seiner Prozeßfähigkeit käme die Bestellung eines Betreuers gem. § 1896 BGB (auf Antrag des Klägers!) in Betracht, der dann für den Kläger den Prozeß führen würde. Im Non-Liquet-Fall auf Beklagtenseite trägt der Kläger die Beweislast (und auch die Kostenlast!). Dem Beklagten könnte allerdings eventuell ein "besonderer Vertreter" analog § 57 ZPO bestellt werden. Wenn ein mittels unqualifizierter "Zweifel" psychiatrisierter Kläger sich der angeordneten Begutachtung nicht gestellt und damit eine non-liquet-Situation erzeugt hat, könnte er einen zulässigen Umweg nutzen: er beantragt beim zuständigen Amtsgericht Betreuung zur Klärung der Frage des Vorhandenseins voller Geschäftsfähkeit und damit auch voller Prozeßfähigkeit. Die dort tätigen psychiatrischen Gutachter stehen unter bedeutend strengerer, v.a. jedoch öffentlicherer Beobachtung (Beispiel), so daß die Wahrscheinlichkeit von Mauscheleien und Gefälligkeitsgutachten geringer sein dürfte. Im Göttinger Fall führte dieser Umweg jedenfalls zu Erfolg. TIP 8: Wie eingangs (Problemstellung) dargelegt, hat der BGH 1951 dem Richter hinsichtlich der prozessualerheblichen Tatsachen (hierzu zählt die Prozeßfähigkeit der Parteien) den in der Literatur weiterhin umstrittenen Freibeweis gestattet. Der Richter wird zunächst an eine amtliche Auskunft denken, d.h. bei Behörden und Gesundheitsämtern Erkundigungen ohne Wissen und Einverständnis des Betroffenen über dessen Gesundheitszustand einholen. Es liegt auf der Hand, daß das Gericht in solchen Fällen massiv Datenschutz verletzten könnte. Der Alternativkommentar gibt eine beachtenswerte Empfehlung, denn die amtliche Auskunft ist nur ein Substitut und kein eigenständiges Beweismittel, wenngleich sie in der Praxis eine derart häufige Anwendung findet, daß sie - inoffiziell - neben dem Beweis durch Augenschein, Beweis durch Sachverständige, Zeugenbeweis, Beweis durch Urkunden sowie Beweis durch Parteivernehmung als sechstes Beweismittel angesehen wird. Ein korrekt handelnder Richter würde in dem hier diskutierten Falle, nämlich in der Frage nach dem Geisteszustand einer Partei, bei dem Betroffenen zunächst um sein Einverständnis nachsuchen, schädigt doch bereits eine diesbezügliche Anfrage eines Gerichts massiv dessen Ruf! Es dürfte allerdings wohl gängige Praxis sein, daß der Richter auf dem "kleinen Dienstweg" bereits vor einer solchen Anfrage beim Betroffenen Erkundigungen einholt hat (wie im Falle des Verf. geschehen). Fall in dieser Richtung Indizien vorliegen, sollte an ein gegen den Richter gerichtetes Ablehnungsgesuch gedacht werden. TIP 9: Liegt nun endlich das SV-Gutachten vor, kann eine sorgfältige Auswertung zu Zweifeln in Hinsicht auf Unparteiischkeit oder fachlicher Qualität Anlaß geben. In einem solchen Falle sollte man das Gericht anregen, den Sachverständigen nach § 410 Abs. 1 S. 1 ZPO zu beeidigen: Hat der Gutachter nämlich beschworen, sein Gutachten "nach besten Wissen" erstattet zu haben, ist dies ein Fundament für eine Verurteilung in einem zivilrechtlichen Haftungsprozess gem. § 839a BGB gelegt. Unter "bestem" Wissen ist 'bei wissenschaftlich aktuellem und vollständigen Kenntnishintergrund' (z.B. an Fachliteratur, Fortbildung, Orientierung an Kriterienkatalogen) zu verstehen. Bei aller Skepsis sei hier auf die Qualitätsverbesserungsbemühungen der DGPPN sowie die der Ärtzekammern hingewiesen. Die Orientierung an Kassifikations- bzw. Diagnosesystemen, erwähnt seien hier nur das ICD-10 und das AMDP-System, dürfte kaum zur Ausfüllung "besten Wissens" hinreichen. Tip 10: Die Parteien tragen zwar die objektive Beweislast für die Prozeßvoraussetzungen, hier also auch für Ihre Prozeßfähigkeit, nicht aber die subjektive Beweislast/Beweisführungslast, denn scließlich ist das Gericht gehalten, von Amts wegen Beweis zu erheben, wenn es die Prozeßfähigkeit einer Partei anzweifelt. Gleichwohl kann es angeraten sein, ein Privatgutachten über die Frage der Prozeßfähigkeit vorzulegen, welches das Gericht zu berücksichtigen hat und welches ggf. Munition für weitere Instanzen (Berufung, Revision) liefern könnte. Auch ein methodenkritisches Gutachten über das vom Gericht bestellte Gutachten kann Sinn geben, wenn dieses erhebliche Mängel erkennen läßt. Last but not least: Die Kosten Die betroffene Partei hat, falls sie zum Prozeßunfähigen erklärt wurde, die Kosten ihrer psychiatrischen Begutachtung zu bezahlen, was bedeutet: im ungünstigen Falle bezahlt ein Rechtsuchender am Ende auch noch seine Psychiatrisierung, das sieht dann wie folgt aus: Eine "Erinnerung" gegen den Kostenansatz geht wohl regelmäßig ins Leere, denn immer dann, wenn das Gericht das Gutachten irgedwie verwertet hat, und sei es auch in unrichtiger Weise, ist es vom Betroffenen zu bezahlen, siehe LG Halle, B.v. 4.05.2014 - 4 T 26/14. Hiernach könnte einzig eine Klage auf Haftung wegen grob fahrlässig erstatteten, unrichtigen Gutachten erfolgreich nur direkt gegen den Gutachter sinnvoll sein, näheres unter Der/Die Sachverständige. Letzter Ausweg: - Für den für prozeßunfähig erklärten Beklagten bleibt nur noch die Bestellung eines "besonderen Vertreters" gem. § 57 ZPO und - für den prozeßunfähig erklärten Kläger bleibt die Möglichkeit, eigenständig Antrag auf Betreuung zu stellen( § 1896 BGB), eine Strategie, die im Falle Lisa Hase erfolgreich ausging: der Amtsarzt erklärte sie "für geistig völlig gesund". (siehe Ende des Videos) Anmerkungen: 1 Video zum Fall der Lisa Hase / NDR ; Darstellung des Falles in Watch the Court 2 unverzichtbares Standardwerk zur Richterablehnung: Egon Schneider, Befangenheitsablehnung des Richters im Zivilprozess, 3. Auflage 2008; die informativste Liste erfolgreicher Ablehnungsgründe findet sich im ZPO-Kommentar von Baumbach/Lauterbach, dort § 42. 3 Inwieweit ein Rechtsanspruch auf Wortprotokoll oder doch wenigstens Tonbandaufnahme der psychiatrischen Explorationsgespräches besteht, ist fraglich. Das Hamburgische OVG faselte etwas von "erforderlicher vertraulicher Gesprächsatmosphäre", die "das Frage- und Aussageverhalten der am Gespräch Beteiligten" beeinträchtigt werden könne. Beeinträchtigt sein könnte nur und ausschließlich der Gutachter - damit ist klar: Das OVG will für sich die Last der Überprüfung des Gutachtens verringern und zugleich für den Betroffenen die Chance minimieren, das Gutachten anzugreifen! 4 Im Strafprozess gilt das Prinzip der materiellen Wahrheit. Nach dem dort geltenden Ermittlungsgrundsatz ist das Gericht dazu verpflichtet, den relevanten Sachverhalt vollumfänglich selbst zu ermitteln. Im Zivilprozess bilden hingegen die Verfahrensgrundsätze der Dispositions- und Verhandlungsmaxime das Fundament für den dort vorherrschenden formellen Wahrheitsbegriff. Den Tatsachenstoff, aufgrund dessen der Sachverhalt ermittelt wird, bringen ausschließlich die Parteien bei. 5 Andreas Mosbacher, Das Ideal richterlicher Wahrheitsfindung und die Betrübnisse des wirklichen Lebens, Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2015), S. 82-91 6 Man spricht auch von Verhandlungs- bzw. Untersuchungsmaxime. Unter Verhandlungsmaxime versteht man die Herrschaft der Parteien über den Prozeßstoff. Das Gericht berücksichtigt nur diejenigen Tatsachen, die von den Parteien vorgetragen wurden.Bei überwiegend öffentlichem Interesse - so bei der Frage der Prozeßfähigkeit einer Partei - muß das Gericht zur Untersuchungsmaxime übergehen. Einer leichtfertigen Psychiatrisierung allerdings steht das öffentliche Interesse klar entgegen. Die Rechtslage ist also sehr diffizil, weshalb auch immer die Rede ist von "hinreichenden" oder "begründeten" Zweifeln. Unser Thema ist also genau dieses: Wann und wie sind die Zweifel in grundgesetzkonformer Auslegung des § 56 ZPO zu begründen? 7 Wer (wie der Verfasser) den Kachelmann-Prozeß in Mannheim live verfolgen konnte, erlebte den enormen Unterschied zwischen den Verteidigern Birkenstock und Schwenn: Erst Johann Schwenn gelang es, immer wieder die Öffentlichkeit (und damit die Presse) in den Saal zu holen, die zuvor auf weiten Strecken des Verfahrens ausgeschlossen worden was. Das Gericht wurde bereit hierdurch - der Anwesenheit der Öffentlichkeit und damit auch der Presse - zunehmend in seiner Selbstgefälligkeit verunsichert. (Zuvor hatte das Gericht für den permanenten Ausschluß der Öffentlichkeit die fadenscheinige Begründung geliefert, es könnten ja persönliche Dinge des vermeintlichen Opfers oder doch der Zeuginnen zur Sprache kommen. Schwenn schockierte das Gericht, indem er sogleich die Beschlagnahme der Aufzeichnungen eines sachverständigen Zeugen (Prof. Dr. med. Günter Seidler, siehe: Kachelmann, Recht und Gerechtigkeit, 2012, S. 160f) im Gerichtssaal beantragte. Der neue Verteidiger spielte also glänzend auf der Klaviatur des Verfahrensrechtes (StPO) und erreichte schließlich den Freispruch Kachelmanns. Ein ungerechtfertigter Anwurf in Gestalt des Zweifelns am Geisteszustande einer Partei ist ein aggressiver Akt. Ein Richter jedoch, der den Geisteszustand eines lästigen Klienten bezweifelt hat, wird kaum mehr offen für Gegenargumente sein. Hiernach hilft nur Gegenaggression in Art einer Konfliktverteidigung. Im StV Heft 12/2010, Seite 709, li Sp o., gibt Schwenn kurz und knapp wichtige Tips zur Vermeidung drohender Fehlurteile: durch Fragen an den 'Haussachverständigen' oder auch durch 'sachgerechten Umgang mit dem Ablehnungsrecht', um so Angriffspunkte in Hinblick auf Revision zu schaffen. Literatur: a) Rechswissenschaftliche Diskussion - Oda, Anmerkung zum BGH Urteil vom 9.1.1996, ZZP 1997, 111-117 - Goebel, Rechtsgespräch und kreativer Dissens, 2001 - Schwenn, Fehlurteile und ihre Ursachen - die Wiederaufnahme im Verfahren wegen sexuellen Mißbrauchs, StV 2010, 705 (Fall Herbert Becker) - Daniel Schnabl, Die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO, 2007 - Rüdiger Zuck, Die Anhörungsrüge im Zivilprozess, 2008 b) Zum psychologisch geschickten Verhalten - Ulrich Sommer, Strafanzeige und Strafprozess, 1994 -i. Netz u.: "Tipps zum Strafprozess" |