Prof. Dr. Johannes Heinrichs
Integrale Philosophie -
Theorie welcher Praxis?

Prof. Dr. Johannes Heinrichs
Integrale Philosophie -
Theorie welcher Praxis?

Suche:

    Philosophie als

  • integrale Systematik

  • Wissenschaft vom Sinn

  • Kunst der Begriffe

  • Reflexions-Theorie der Praxis
    (theoretische Reflexion der gelebten Reflexion)

  • Grundlagendisziplin der Geisteswissenschaften

Johannes Heinrichs zählt zu den wenigen akademischen Philosophen, die davon ausgehen: Philosophie als integrale geisteswissenschaftliche Systematik und deren schrittweiser Aufbau aus begrifflichen Grundelementen sind heute möglich und dringlich. Dazu gehört selbstverständlich der Bezug auf früher Gedachtes, ähnlich wie beim Künstler die Anregung durch frühere Schöpfungen. Ein Künstler jedoch, der nur frühere Schöpfungen zitiert und sie "kritisch" nachahmt, wird zu Recht ein Epigon genannt.  Wir leben in einer Zeit, in der die westliche Philosophie zu mindestens 90% ihre eigene Geschichtsschreibung und somit eigentlich Philologie früherer philosophischer Werke geworden ist.

Heinrichs betrachtet Philosophie im Ganzen als "Kunst der Begriffe" und darin als fortschreitende, methodische Selbstentfaltung des menschlichen Reflexionsvermögens. Die Einsicht in das innere Reflexionsleben von Individuum und Gesellschaft verbindet ihn am meisten mit Hegel. Sie fehlt in der Gegenwartsphilosophie fast durchgängig. (So wird von prominenten Ordinarien geleugnet, dass die Reflexion konstitutiv fürs menschliche Selbstbewusstsein ist, weil dies angeblich einen Denkzirkel darstelle. Der Zirkel liegt jedoch bei den Leugnern der Reflexionstheorie des Selbstbewusstseins selbst, weil sie die theoretische, objektivierende Reflexion fälschlich zum Muster der gelebten, konstitutiven Reflexion oder inneren Selbstbezüglichkeit machen.) Doch wird in Heinrichs` Ansatz die Hegelsche Negativitätsdialektik, die am Verhältnis Ich-Gegenstand orientiert blieb, in eine nicht minder systematische Ich-Du-Dialogik überführt. Dialogik meint die besondere Dialektik (d.h. nichts anderes als das Reflexionsverhältnis) des Interpersonalen. Dabei wird der Andere (das Du) nicht als negativ begrenzend, sondern als positiv entgrenzend verstanden. In das zwischenmenschliche Reflexions- oder Spiegelungsverhältnis ist die Ich-Es-Dialektik einbezogen.

Reflexion ist also viel umfassender als die theoretisch-nachträgliche Reflexion. Diese letztere stellt zwar die Form des philosophischen Denkens dar. Diese Form der nachträglich-theoretischen Reflexion (Nachdenken), bezieht sich aber auf einen Inhalt, der nicht nur aus reflexionslosen Objekten besteht, sondern  weitgehend ebenfalls aus gelebter Selbstbezüglichkeit (gelebter Reflexion). Die theoretische Reflexion hat somit die umfassende Aufgabe, die gelebte Reflexion, kurz das Leben selbst, zu rekonstruieren - und durch dieses Verständnis dann auch steuern zu können.

Nachdem Johannes Heinrichs 1975 das dialogische Verhältnis zwischen Menschen als ein Reflexionsverhältnis mit einer begrenzten Folge von 4 Stufen erkannt hatte (was der modernen Wiederentdeckung einer sozialwissenschaftlichen Konstante gleichkommt), entwickelte sich daraus die Reflexions-Systemtheorie des Sozialen, eine umfassende Sozialtheorie. Diese fand ihre erste Ausarbeitung in seinen Frankfurter Vorlesungen von 1975 sowie in dem Buch „Reflexion als soziales System“ (1976), Neuauflage 2005 als "Logik des Sozialen". Später wurde sie in der Demokratietheorie unter dem Titel „Revolution der Demokratie“ (2003, erweiterte Auflage 2014) konkretisiert.

Zwischen den Schriften von 1975/76 und dem Demokratiebuch von 2003 liegt eine neue Einsicht: dass es nicht nur vier System- und Wertebenen gibt, die sich in der einer "modernen" Gesellschaft irgendwie ausdifferenzieren sollen (Max Weber hatte bereits von der Differenzierung von "Wertsphären" gesprochen) - sondern wie diese bestimmten Wertstufen sich konkret und geordnet in einer Demokratie differenzieren können: durch einen viergestuften Parlamentarismus, durch 4-Kammer-Parlamente. Erst dies macht die Theorie der Viergliederung aus, als sehr konkretes, auf Praxis drängendes Postulat für eine zeitgemäße Demokratie. Die Vierstufigkeit des sozialen Systems überhaupt wurde 1975 in Auseinandersetzung mit Talcott Parsons entdeckt, dem das Reflexionsprinzip als Kompass seiner Handlungs-Systemtheorie fehlte. Heinrichs`Rede von "Viergliederung" (öffentlich seit 1993) meint jedoch darüber hinaus die Konkretisierung der Systemebenen durch einen viergeglierten Parlamentarismus.

(Der verbale Anklang an Rudolf Steiners "Dreigliederung des sozialen Organismus" war sowohl als Verbeugung vor Steiners Intuition wie als Kritik an dem handlungs- und systemtheoretisch Unzulänglichem der "Dreigliederung" gedacht, bei weitem nicht allein bezüglich der Unterscheidung von drei und vier Ebenen. Allerdings stellt auch die Unterscheidung der unbedingten Letztwerte von den bedingten kulturellen Werten innerhalb des "Geisteslebens" einen der wesentlichen Unterschiede zu Steiners "Dreigliederung" dar.) 

Heute sprechen Heinrichs und seine Mitarbeiter lieber von einer viergliedrigen "Wertstufendemokratie", um das zentrale Problem der konkreten Werterealisierung (statt der üblichen, bloß ideologischen Wertebeschwörung) als zentrale Aufgabe einer weiter entwickelten Demokratie hervorzuheben.

Heinrichs unterscheidet durchgängig die kollektiv-soziale Perspektive (mit Luhmann auch kollektive „Systemreferenz“ genannt) methodisch streng von der individuellen Systemreferenz des einzelnen Handelnden. Selbstverständlich müssen dann die beiden Perspektiven, die kollektive des Systems und die individuelle des Handelns, aufeinander bezogen werden.

Die elementare Einsicht, dass „Handeln“ nicht nur in dem engeren, eigentlichen Sinn von veränderndem Tun, sondern auch in dem viel weiteren Sinne von „Sinnvollzügen“, Bewusstseinshandlungen,  zu bedenken und zu rekonstruieren ist, eröffnete die Aufgabe einer philosophischen Semiotik als Sinnprozesslehre. Während normalerweise „Semiotik“ als einzelwissenschaftliche Disziplinengruppe der Beschäftigung mit Zeichen verstanden wird, fragt solche philosophische Semiotik fundamentaler nach dem Ort von Zeichen in menschlichen Sinnvollzügen überhaupt und rekonstruiert diese Sinnvollzüge insgesamt nach dem Reflexionsstufenprinzip. Die Vierheit der Reflexionsstufen, wie sie ursprünglich im sozialen Verhältnis ausgemacht wurden, findet nun eine analoge Ausprägung in den vier sehr umfassenden semiotischen Ebenen aus individueller Perspektive, die aufeinander aufbauen: Handlung, Sprache, Kunst, Mystik. Diesen vier großen semiotischen Ebenen oder Dimensionen gelten Heinrichs` schon veröffentlichte Bücher zur Handlungs- und Sprachtheorie sowie die bisher erst in Aufsatzform bzw. in den betreffenden Kapiteln des zusammenfassenden Buches "Integrale Philosophie" (2014) erschienenen Schriften zur Kunst- und Mystiktheorie.

Der erste Teil dieses Projektes einer philosophischen Semiotik, die Handlungstheorie, war bereits 1980 als Teil I einer "Reflexionstheoretischen Semiotik" erschienen. Er kam 2007 in wesentlich erweiterter Form unter dem Titel "Handlungen" neu heraus. 

Die in 5 Bänden ebenfalls neu bearbeiteten philosophischen Sprachtheorie (1981/2008-9) baut auf der Handlungstheorie auf. Es geht um nichts Geringeres als darum, den Graben zwischen Philosophie und empirischer Sprachwissenschaft/Philologie, der sich seit dem 19. Jahrhundert ständig vertieft hat, auf höherem Reflexionsniveau zu überbrücken. Dem Gedanken einer Universalgrammatik, von verbindenden sprachlichen Universalien wird dabei ein anderes, nämlich reflexionstheoretisches Fundament gegeben als das materialistisch-genetische von Noam Chomsky.

Johannes Heinrichs` integrale Systematik ist streng rational begründet. Dennoch trägt sie spirituelle Züge, ohne Abhängigkeit von einer Theologie (wenngleich biographische Anstöße aus der Theologie nicht zu leugnen sind). Der „Alles"-Gedanke wird von Anfang als das Element "Sinn-Medium", als eines der Sinn-Elemente neben Ich, Du und Es, somit als konstituierender Bestandteil jeder gelebten Reflexion, eingeführt. Dieses „Apriori der Kommunikationsgemeinschaft“ wird nicht nur als je individueller Gedanke verstanden (wie bei K.-O. Apel), sondern als ontologisches Medium aller Kommunikation. Er stellt zugleich den Ausgangspunkt einer spirituellen Philosophie dar. Denn dieses Sinn-Medium, der Logos, wirft theologische Fragen auf. Mit solcher Erneuerung einer spirituellen Philosophie weist Heinrichs die oft unterstellte Alternative von konfessioneller Religiosität und Atheismus/Agnostizismus entschieden zurück. Diese falsche Alternative ist weitgehend die Frucht philosophisch unfreier, konkordatär geprägter Verhältnisse an den deutschsprachigen Universitäten.  

Das Thema des weltanschaulich-religiösen Pluralismus und der fairen Chancenverteilung der Weltanschauungsgruppen in einem wirklich demokratischen Rechtsstaat führt zu einem der wichtigsten Aspekte von Heinrichs`politischer Theorie der Viergliederung oder der  Wertstufendemokratie zurück. Vgl. dazu die thematische Sparte der Bibliographie. Deren politische Umsetzung hat er weitgehend der Eigeninitiative derer überantwortet, die sein Konzept in seiner anthropologischen Tiefe und seiner evolutionären Notwendigkeit verstanden haben. Siehe die Kurzfassung des Konzeptes: [PDF] sowie folgende Links: 

http://www.martinbesecke.de/wertstufendemokratie.htm

www.netz-vier.de

Einen verläufigen Entwurf zu einer Verfassungsänderung nach Maß, d.h. zwar mit revolutionären Auswirkungen im Sinne einer sprunghaften Weiterentwicklung der Demokratie, jedoch mit den Mitteln einer friedlichen Verfassungsentwicklung, finden Sie in folgender Datei: [PDF].